Eisbein am Potsdamer Platz

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„Sieben Jahre Nacht“: Im Koreanischen Kulturzentrum hat Jeong Yu-jeong ihren Thriller vorgestellt. Danach gehen wir im Sony-Center Eisbein essen. Ex-Kollegion S. erklärt, dass das Privatgrund sei und wir total gefilmt würden. (Im öffentlichen Raum drumherum aber auch, was Ulrich Pelzter schon in seinem Roman „Teil der Lösung“ gespenstisch genau beschrieben trieben hat.) Sie erzählt noch, was für ein Schlamassel der Selbstmord von X. gewesen sei, Pulsadern in der Badewanne aufgeschnitten, jemanden, der helfen wollte, schickte er weg und zog sich dann eine Plastiktüte übern Kopf. Ob diese Themen der Einfluss des Thrillers sind, den die koreanische Autorin vorgestellt hat? Ihr netter Verleger vom Zürcher Unionsverlag ist der einzige Mann der Gruppe. Die Autorin, eine äußerst zierliche und vor Geist funkelnde ehemalige Krankenschwester verkauft ihre Romane in Korea halbmillionenfach. Sechs Jahre, 11 Wettbewerbe, reichte sie ihre Manuskripte erfolglos ein, 41 war sie, als sie schließlich durchkam, ankam, wovon sie immer geträumt hatte. Zwei ihrer bisher fünf Romane sind schon verfilmt, der dritte, „Der gute Sohn“, der kommendes Jahr auch auf deutsch erscheinen soll, ist dafür in Planung . Sie zitiert Ray Bradbury, der Autor von  Fahrenheit 451. Das ist die Temperatur, bei der Papier sich selbst entzünde, in Bradburys mehrfach verfilmtem Roman werden alle Bücher von einer staatlichen  Feuerbrigade verbrannt, weil sie unkontrollierbare Gefühle erzeugen könnten. Bradbury wolle „den Leser brennen lassen“ durch seine Geschichten. Das nennt man wohl Spannung. Je unfassbarere die Geschehnisse und Taten eines Plots, so Jeong Yu-jeong, desto wahrheitsgetreuer und präziser müssten die Begleitumstände recherchiert sein. Vielleicht sind deshalb Krimis oft viel schneller, direkter  und unmittelbarer an der politischen, sozialen oder wissenschaftlichen  Gegenwart dran? Die charmante Frau Jeong mit ihrem zarten Porzellangesicht schildert, durchaus bis ins grausame Detail genüsslich brutal, die „Bestie“ Mensch, in der wir Leser unsere Natur entdecken sollen – um danach, am besten nach einer gebannt durchgelesenen Nacht, geläutert die Morgenröte zu erkennen. Schönes Konzept, guter Psychothriller, tolle Frau.

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